Fußball
„Tickets, Tore und Turbulenzen: Ein Fußballtag in Paris“
Ein Roadtrip nach Paris, ein hektischer Ticketkauf und ein unvergessliches Fußballspiel – diese Reise zum Nations League-Duell zwischen Frankreich und Italien steckt voller Überraschungen, emotionaler Momente und einem nervenaufreibenden Finale.
Paris – Es ist ein nasser, kühler Morgen in Mönchengladbach, als ich mich rund 13 Stunden vor Spielbeginn auf den Weg mache. Die Reise nach Paris, wo heute Abend Frankreich gegen Italien in der UEFA Nations League antritt, startet früh. Gemeinsam mit meinem Freund und unserem Campingmobil wollen wir die französische Hauptstadt erreichen.
Nach einer kurzen Nacht bei meiner Familie und einem schnellen Kaffee bin ich pünktlich um 8:00 Uhr unterwegs. Mein ausgebauter VW-Bus rollt gemütlich Richtung Hauptbahnhof, wo ich meinen Kumpel einsammle. Vor uns liegen acht Stunden Fahrt, die bis an die Stadtgrenzen von Paris unspektakulär, aber dennoch von der Vorfreude auf das bevorstehende Spiel geprägt sind. ,
Der Stadtverkehr von Paris – Chaos
Je näher wir Paris kommen, desto chaotischer wird es. Die sechsspurigen Straßen sind dicht, der Verkehr stockt. Wir schlängeln uns auf der linken Spur, als plötzlich Blaulicht und Sirenen hinter uns ertönen. Polizeiwagen wollen vorbei, doch ein Einordnen nach rechts scheint unmöglich. Während wir uns mit 60 km/h durch den Verkehr quetschen, fällt uns auf, dass alle paar hundert Meter der Schriftzug „Paris 2024“ und die Olympischen Ringe auf dem Asphalt prangen. Noch unwissend, dass wir uns auf einer für Olympia reservierten Sonderfahrspur befinden, realisieren wir das Missgeschick erst, als die Polizei uns endlich überholt. Nun stecken wir endgültig im Stau der 12-Millionen-Einwohner-Metropole fest.
Die letzten fünf Kilometer bis zu unserem Stellplatz nahe eines kleinen Fischteichs ziehen sich quälend in die Länge. Nach über einer Stunde erreichen wir unser Ziel. Erschöpft, aber erleichtert, fallen wir für 20 Minuten in die Betten des Campers.
Die Suche nach dem Ticket – Eine Stunde, die alles verändert
Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es weiter. Unser Ziel ist der Parc des Princes. Fünf Kilometer sind es zu Fuß – zunächst ein angenehmer Weg durch einen idyllischen Wald, der sich später noch als weniger freundlich entpuppen wird. Drei Stunden vor Spielbeginn sind wir am Stadion angekommen. Jetzt beginnt der Stress: Ich habe noch kein Ticket. Das Spiel ist ausverkauft, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Nach einer Stunde nervöser Suche und vergeblicher Verhandlungen scheint es aussichtslos. Doch plötzlich, fast wie aus dem Nichts, sehe ich einen älteren Mann in der Menge, der ein Ticket hochhält. Ich sprinte zu ihm, zeige ihm meinen auf dem Handy vorbereiteten französischen Text, und siehe da – er antwortet mir in perfektem Englisch. Für 60 Euro ergattere ich das begehrte Ticket. Die Erleichterung ist riesig, und wir mischen uns ins Getümmel der Fans.
Das Stadion füllt sich – Gänsehaut pur
Der Einlass ist voll von Fans in Blau-Weiß-Rot. Kinder tragen stolz ihre Mbappé-Trikots, während Verkäufer Bier und Snacks durch die Menge jonglieren. Eine Stunde vor Spielbeginn fangen die ersten Fangesänge an, und die Stimmung im Stadion steigt spürbar.
Die Minuten bis zum Anpfiff fühlen sich an wie Stunden. Als dann die Spieler den Rasen betreten entsteht der erste von vielen Gänsehautmomenten für mich. Machen sich da gerade wirklich Menschen von einem Marktwert von über Einer Milliarden Euro 30 Meter Luftlinie von mir entfernt warm? – Wahnsinn denke ich mir.
Fasziniert beobachte ich das „Warm-Up“ der Vollblutprofis und bewundere die Ballkünste. Mbappe läuft an, schießt, Latte. Ein Raunen geht durch das Stadion – beim Aufwärmen. „Solch eine Strahlkraft auf die Zuschauer hatten nur die ganz ganz großen des Fußballs“, schießt es mir in die Sinne.
Nach dem Aufwärmen, ging es für die Spieler zunächst einmal wieder zurück in die Umkleiden. Der französische Fußballverband bietet währenddessen ein Pre-Match-Programm, das einem House-Festival ähnelt. Laute House-Music, Tanzeinlagen und sehr lauter Bass, schallen durch das Stadion.
Als die Spieler den Rasen betreten, explodiert das Stadion in einem Meer aus Jubel und Frankreich-Fahnen. Die Nationalhymne Italiens wird gespielt. Die geschätzt 2000 Italienischen Fans geben ihr bestes und singen mit. Daraufhin folgt die Französische Nationalhymne und Gänsehautmoment Nummero zwei folgt. Eine Minute und fünf Sekunden stehen 48000 Franzosen auf und singen Ihre Nationalhymne. „La Marseillaise“ ertönt in Akapella und eine brachiale Lautstärke macht sich breit.
Der Blitzmoment – schnellstes Tor der Geschichte
Nachdem ertönen der Nationalhymne strömen hektisch viele Fans ins Stadioninnere und begeben sich zu Ihren Plätzen – so auch zwei Männer in meine Sitzreihe. Während ich aufstehe und den Männern Platz machen möchte geht ein lautes Raunen durchs Stadion und ehe ich auf den Platz wieder gucken kann, ist das Stadion am toben. 1:0 für Frankreich nach 13 Sekunden Spielzeit.
Bradley Barcola erzielte damit früheste Tor der französischen Nationalmannschaft – sein Vorgänger Bernard Lacombe brauchte bei der WM 1978 für sein Tor ebenfalls gegen Italien 38 Sekunden.
Trotz des frühen Tores spielt Frankreich nicht gut und lässt sich recht schnell, das Spiel von starken Italienern aus der Hand nehmen. In der sechsten Spielminute gelang durch Davide Fratessi bei nahe der Ausgleich, durch einen sehenswerten Kopfball, der nur ans Aluminium geht. Besser macht es sein Kollege Federico Dimarco, der nach einer Hackenablage von Sandro Tonali, sehenswert mit einem Volleyschuss ausgleicht (30.). Die Menschen im Stadion schenken dem Torschützen neidlosen Applaus – ganz großer Sport und Fair Play der Franzosen!
Bis zur Pause dominieren die Italiener und zeigen Ihre Dominanz durch Ballbesitz und gefährliche Vorstöße. Nach der Pause spielt die „Squadra Azzura“ ihre Aktionen aus und markieren durch Tore von Davide Fratessi (51.) und Giacomo Raspadori (74.) den 1:3 Endstand. Die Spannung bleibt bis zum Ende des Spiels a0us, da die Italiener die Naivität der Franzosen brutal ausnutzen und souverän einen ungefährdeten Sieg einfahren.
Das Stadion leert sich, der Rasen glänzt im Scheinwerferlicht. Enttäuscht schlängeln sich die Französischen Fans die Treppen des Stadions hinab. Mit gesengten Köpfen zieht eine Gruppe Grundschüler mit Ihren Fähnchen an mir vorbei, das Spiel immer noch Thema jeder Diskussion. Ich nutze meine Chance, um zum einen Erinnerungsfotos zu schießen und um Pfandbecher zu sammeln.
Auf dem Rückweg zur Becherabgabe, sprechen mich viele Menschen an, wie ich denn so schnell Becher sammeln könne. Den meisten muss ich mit Zeichensprache signalisieren, dass ich auf der Tribüne gesammelt habe. Während des Schreibens liegt mir ein kräftiges Lächeln auf den Lippen, da der Großteil der Franzosen Fremdsprachen resistent ist und der Google-Übersetzer immer auf Standby gehalten wird. Letztendlich zähle ich 15 Becher, die mir 30 Euro an Becherpfand bescheren– „die Hälfte des Tickets hab ich wieder drin“, sag ich mir und freue mich
Die Heimreise – ein unerwartetes Abenteuer
Der Rückweg zum Camper durch den Wald, der bei Tageslicht so friedlich wirkte, entpuppt sich nun als weniger angenehm. Leichter Regen setzt ein, und plötzlich begegnen wir am Straßenrand Prostituierte, die wir gezwungenermaßen passieren müssen. Dunkelheit, blinkende Lichterketten und ein Gefühl der Unsicherheit machen sich breit. „Diesen Rückweg hätten wir uns lieber sparen können“, denken wir, als wir endlich beim Camper ankommen.
Erschöpft, aber glücklich über das Erlebte, beenden wir diesen Tag, der trotz aller Unwägbarkeiten eine Geschichte von ganz großem Sport erzählt. Paris hat uns Abenteuer beschert, und das Spiel selbst wird uns lange in Erinnerung bleiben.
Quelle: 3:1: Italien setzt Ausrufezeichen in Frankreich – kicker, Jan Rodeck (Autor)
Schlagworte: Frankreich, Fußball, Italien, Nations League, Parc des Princes, Paris, Reportage