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Keine Ahnung Aber Viel zu Melden
Pundits in England und ihre „Meinungen“ – Ein schmaler Grad zwischen Schwachsinn und Realitätsverlust. Doch was genau ist eigentlich das Problem?
(London). Seit jeher wird der Begriff „Experte“ im Sport überstrapaziert, als wäre er Knetgummi, welches man je nach Bedarf verformen, verändern und teilweise sogar komplett willkürlich benutzen kann. Da kommt natürlich die Frage auf, was für Qualifikationen man braucht, um als solcher durchzugehen. Wie wäre es etwas mit einem stark ausgeprägten Taktikverständnis, dazu vielleicht noch die Leidenschaft sich mindestens sieben Spiele pro Woche anzuschauen und eine generelle Aktualität des Fußballwissens? Wenn man sich zur Zeit gewisse „Experten“ mal anschaut, scheint es eher so, als wären die Vorraussetzungen analytisch so treffsicher wie ein alkoholisierter Dart-Spieler zu sein und so sich aktuell so sehr mit Fußball zu befassen, wie der durchschnittliche 400 lbs Amerikaner mit Gemüse und Obst.
Seit Äonen, oder zumindest seit dem Medien der Meinung sind, allwissend zu sein, also wahrscheinlich doch seit Äonen, ist es im Sportbereich Tradition, jeden zweitklassigen Kicker nach seiner aktiven Zeit mit einem Mikrofon in der Hand auszustatten und als „Experten“ in TV-Shows zu setzen. Doch nur weil jemand ein Ballgefühl in den Füßen hatte, heißt das nicht, dass der pinke Ball im Kopf auch zu gebrauchen ist. Noch lächerlicher wird das Ganze, wenn die Profikarriere so lange her ist, dass zu der Zeit die Spieler noch gegen drei Mammute kämpfen mussten, um das Spielfeld zu räumen ehe überhaupt ein Ball gespielt werden konnte. Dass sich der Fußball in der Zwischenzeit dann verändert hat und gewisse Prinzipien vielleicht dezent veraltet sein könnten, ist für die meisten dieser Experten aber eine Schlussfolgerung zu viel.
Veraltet oder einfach inkompetent?
Nehmen wir die inzwischen berüchtigte Aussage von Jamie Carragher, der im Sommer 2022 verkündete: „Lisandro Martínez ist zu klein für die Premier League. Als Innenverteidiger kann er keine 1,75 m sein.“ Bravo, Jamie! Leider hat der kleinwüchsige Lisandro Martínez in all den Monaten aber nichts von seiner Verwandtschaft mit Peter Dinklage mitbekommen, denn er ist damit beschäftigt, unangefochten als Stammspieler bei United zu spielen. Wirklich ärgerlich, wenn die Realität sich nicht nach dem eigenen Hirngespinst richtet oder?
Das Paradebeispiel bleibt jedoch Jamie Redknapp, der fröhlich Gerüchte streut, Marcus Rashford sei von Erik Ten Hag auf die Bank gesetzt worden, weil die beiden einen „Streit“ hatten. Beweise? Ach, wer braucht schon Beweise? Redknapp zieht sich solche Dinge lieber aus einem ganz speziellen Ort – vermutlich derselbe Ort, aus dem seine Taktikanalysen kommen. Die banale Erklärung von Ten Hag, dass er schlicht die Mannschaft rotieren wollte, ist ja wohl zu langweilig, um eine legitime Erklärung zu sein. Natürlich! Und Paul Scholes, seines Zeichens legendärer Ex-Spieler, verstärkt diesen Unsinn noch mit einem Kommentar, der mehr danach klingt, als hätte er vergessen das Clown-Make-up abzusetzen, statt nach fundierter Analyse: „Rashford hat sicher irgendwas angestellt.“ Genau! Und ich glaube Paul Scholes hat gestern sicher irgendwas zu viel getrunken.
Hauptsache Dinge behaupten, ohne irgednwelche Beweise zu haben. Das scheint zumindest die Maxime der Experten in England zu sein. Denn Recherche oder Kontakte zu den Spielern oder den Klub, über den man redet, sind ja sowieso überbewertet. Man stelle sich mal vor, dass heutzutage jeder so mit Meinungen und Fakten umgehen würde. Dann gebe es ja gerade im Internet diverse Probleme mit Misinformation und somit eine Polarisierung von verschiedenen Lagern, die teils wirre Meinungen vertreten und sich von aneinander abschotten. Glücklicherweise sind die meisten Leute aber vernünftig und würden solche Dinge niemals riskieren… Momen mal…
Aktion, Reaktion und Konsequenz
Das wirklich Erschreckende – oder vielleicht Tragische? – an diesem ganzen Zirkus ist die schiere Entkopplung von jeglicher Realität. Es ist nicht nur so, dass die Aussagen oft lächerlich sind; sie sind in den meisten Fällen schlichtweg faktisch falsch. Man sollte meinen, dass jemand, der erfolgreich im Fußball tätig war, ein Minimum an Verständnis für das Spiel behalten würde. Aber stattdessen werfen diese Pundits konzentrierten Unfug in die Medien, was nicht nur die Fanbasis in die Irre führt, sondern auch Spieler und Trainer unfair unter Druck setzt. Beispielhaft dazu ist die Reaktion von der Community „The United Stand“ von Youtuber und Content Crator Mark Goldbridge. Während den Livestreams auf dem Kanal werden oft Nachrichten von diversen Medien wie den Manchester Evening News oder Talksport sowie Aussagen wie den oben genannten von Redknapp und Co. erwähnt und meist scharf kritisiert. Viele Fans haben schon eine Art Blacklist erstellt, wo gewisse Journalisten nicht mehr erwähnt werden, weil sie als schädlich für den Klub angesehen werden.
Und hier liegt das eigentliche Problem: Diese sogenannten Experten verbreiten nicht nur Unsinn – sie fördern gefährliche Fehlinformationen. Ihre haltlosen Theorien und absurden Behauptungen tragen zur Polarisierung der Fans bei und können dazu führen, dass Spieler ungerecht beurteilt oder Trainer aufgrund falscher öffentlicher Wahrnehmungen entlassen werden. Die Lösung für das Problem? Weitermachen wie bisher nur statt als Experten im Fernsehen oder im Radio, können sich die ganzen Ex-Spieler zu den anderen Trollen auf Social Media gesellen, denn dort passen sie deutlich besser hin.
Ein Beitrag von Bennet Janssen (BA-MJ-66-VZ) im Modul Journalistische Darstellungsformen.
Quellen:
https://www.dailymail.co.uk/sport/football/article-13903781/Erik-ten-Hag-Jamie-Redknapp-Man-United-Tottenham-Alan-Shearer.html
https://www.dailymail.co.uk/sport/football/article-11115523/Jamie-Carragher-rips-Lisandro-Martinez-claiming-small-play-Premier-League.html
https://www.goal.com/en/lists/paul-scholes-suggests-marcus-rashford-up-to-something-man-utd-legend-reacts-bizarre-erik-ten-hag-call/blt72d601304f349e9d
https://www.youtube.com/@UnitedStand
https://talksport.com/who/erik-ten-hag/
https://www.manchestereveningnews.co.uk/
Schlagworte: England, Experten, Fußball, Glosse, Meinungsbeitrag, Sport