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Ein Gladiatorenkampf in der Halle

Hannover gegen Hamburg. In der Sporthalle der IGS-Stöcken treffen zwei Mannschaften in einem ungewöhnlichen Sport aufeinander. Es ist ein Bundesligaspiel im Rollstuhlbasketball zwischen den um den Abstieg kämpfenden Hamburgern und den auf die Playoffs spekulierenden Hannoveranern. Der erste Gedanke zum Thema Rollstuhlbasketball mag bei einigen wahrlich nicht der aufregendste sein, immerhin werden Rollstühle nicht sofort mit Leben und Freiheit oder Grazie und Athletik verbunden. Doch wie so oft sind die ersten Gedanken die tückischsten. Sie täuschen uns und halten uns dabei auf, neue Erfahrungen zu sammeln.  

Veröffentlicht am 24. Februar 2023 von

(Hannover.) Die Luft steht und der muffige Geruch der Halle erinnert an den Sportunterricht aus der Schule. Es ist eine schwere Luft, die im Raum liegt. Der Atem ist flach und langsam. Die Ruhe vor dem Sturm. Als würde gleich etwas Großes passieren, wie das Aufeinandertreffen zweier Streitkräfte. Dabei könnten die Teams nicht unausgeglichener sein, Hannover steht kurz vor den Playoffs an der Tabellenführung und Hamburg entgegengesetzt am unteren Tabellenrand.

Die Spannung steigt

Die Uhr auf der Anzeigetafel tickt runter. Das muntere Treiben auf der Tribüne kommt zum Stillstand. Die Teams versammeln sich und aus den Lautsprechern ertönt “fat boy slims” bekannter Stadium Soundtrack “Right Here, Right Now” Das Herz schlägt langsam immer mehr im Rhythmus der Melodie. Right here, right now. Jetzt geht es los, der Augenblick ist da, verpasse ihn nicht!

Nacheinander werden die Spieler vorgestellt. Unterschiedlicher können sie nicht sein: Groß und Klein, Breit und Schmal, Männer und Frauen. Alle verbindet dieser Moment, dieser Sport. Die Aufregung steigt an, dann ist Anpfiff. All diese Anspannung, die sich aufgebaut hat, ist plötzlich wie in Luft aufgelöst. Doch mit dem Anpfiff beginnt auch das Chaos. Die Trommeln und Schreie der Hannoverschen Fankurve durchdringen die gesamte Halle und lassen kaum eigene Gedanken zu. Rhythmische und dumpfe Schläge geben einen konstanten und treibenden Rhythmus vor. Weiter und weiter. Bloß nicht stehen bleiben. Bloß nicht anhalten.

Zögerlich und Unsicher

Erstes Viertel. Hamburg legt vor. Die Hannoveraner sehen unsicher aus, Hamburg kommt einfach an ihnen vorbei und kann punkten, während die Hannoveraner selbst jeden Ball danebenwerfen. Für die Füchse ist es eine Aufholjagd. Sie sollten eigentlich die überlegene Mannschaft sein, doch sie versinken im Chaos. Wie in einem Moshpit stoßen die Spieler aufeinander. Sie umfahren sich, schauen sich an und drücken einander aus dem Weg. Und irgendwie erinnern die Gestalten auf dem Spielfeld vom Weiten auch an Gladiatoren im antiken Rom. Wie auf gepanzerten Wägen im Circus Maximus streifen die Stühle einander und drücken sich gegenseitig aus dem Weg. Etwas das auf den ersten Blick äußerst chaotisch aussieht, folgt dabei einer eingeübten Choreographie; Da die Spieler im Rollstuhl tiefer liegen, ist es für sie schwieriger, den Überblick über das Spielfeld zu behalten, sie müssen sich also stärker auf gelernte Abläufe und Spielzüge verlassen können, als im Laufbasketball, wo der individuelle Einsatz noch eine größere Rolle spielt. Eigentlich sind die Füchse souverän und eingespielt, immerhin stehen sie kurz vor den Playoffs auf Platz Drei in der Tabelle. Doch im ersten Viertel scheinen sie unsicher. Sie verfehlen oftmals den Korb und lassen den Hamburgern viele Freiräume.

Für sie heißt es: Ordnung muss her. Doch für die Hannoveraner könnte sich dies als Mammutsaufgabe herausstellen, denn der Headcoach Kluck war erkrankt und für ihn steht Christoph Lübrecht an der Seitenlinie. Für diesen ist das Spiel eine Prämiere als Trainer in der ersten Bundesliga, wo er selber noch vorher auf dem Spielfeld war und in der ersten Mannschaft gespielt hatte.

Der Weg ins Spiel

Zweites Viertel. Die Trommeln der Fans schlagen unaufhaltsam weiter. Ein Rückstand kann den sechsten Spieler auf dem Spielfeld nicht einschüchtern. Die gesamte Halle scheint lebendig zu werden und alle Fans werden mitgezogen. Die Füchse sind wie beflügelt und spielen ein herausragendes Spiel. Obwohl Die Hannoveraner nach dem ersten Viertel noch Siegen Punkte hinten lagen, ist die kurze Auszeit und Neuorientierung mit dem sympathischen Prämierecoach wie ein neuer Energieschub.

Von einem großen Rückstand erkämpfen sie sich den Ausgleich und kurzzeitig sogar die Führung. Doch die Hamburger bleiben standhaft und geben sich siegeswillig. Unter den lauten Anfeuerungsrufen der Fans verwandelt sich das Spiel in gnadenlosen Kampf um die Führung. Ein Kopf an Kopf Rennen und kein einziger Meter wird abgegeben.

Oftmals verhaken sich die Räder oder die Spieler werden umgekippt, dann wird das Spiel kurzzeitig pausiert, damit sich die Spieler wieder aufraffen können. Einige machen das mit der bloßen Muskelkraft ihrer Arme, andere wiederum brauchen Hilfe, die sie sofort bekommen. Das Spiel ist scheint mitunter härter, aber fairer als Laufbasketball.

Nach einem beeindruckenden zweiten Viertel, in dem die weißen Hannoveraner geglänzt haben und sich eine 38:28 Führung erspielen konnten, geht es mit viel neuem Selbstvertrauen in das dritte Viertel. Doch wider Erwarten schlagen die blauen Hamburger zurück.

Die letzten Kräfte sammeln

Drittes Viertel. Die Füchse straucheln. Die vorher stark erspielte Führung bröckelt. Immer wieder kommen die Hamburger zum Zug. Die blauen finden Konter und Würfe in den Lücken der Verteidigung der Hannoveraner, die sie eigentlich nicht hätten finden sollen. Unermüdlich pirschen sich die um den Abstieg kämpfenden Hamburger Rauten an die Füchse ran. Wie besessen finden sie immer wieder neue Kräfte und kurz scheint es so, als werden sie in Führung gehen, um danach nicht mehr lockerzulassen.

Bis zu einem entscheidenden Patzer gegen Ende des dritten Viertels. In einer Aneinanderreihung von persönlichen und technischen Fouls bricht das Chaos aus. Die Zuschauer sind verwirrt, die Spieler sind verwirrt und die Schiedsrichter sind es wahrscheinlich auch, so zumindest lautete eine eher scherzhaft gemeinte Aussage von Christoph Lübrecht im Interview mit dem Renner nach dem Spiel. Denn ein technisches Foul wurde anscheinend zurückgenommen und gleichzeitig ein Freiwurf zu viel gewährt.

Alles hat ein Ende

Dieses Chaos ist die entscheidende Grätsche im Lauf der Hamburger. Denn obwohl sie im letzten Viertel nochmal mit einem Dreier von Kai Möller in Führung gehen können, antwortet der Captain Jan Sadler mit einem eigenen Dreier für die Füchse. Mit der Hilfe der lautstarken Fankurve, welche anscheinend endlosen Atem besitzt, können die Spieler in weiß noch ihre letzten Reserven aktivieren und erspielen sich in den letzten fünf Minuten eine zehn Punkte Führung. Nach dieser Führung in kurzer Zeit, müssen die Rauten sich geschlagen geben. Obwohl die Hamburger jetzt nicht mehr die Kontrolle über ihren Abstieg aus der ersten Liga haben, können sie über dieses Spiel durchaus zufrieden sein.

Für den Captain Jan Sadler mit der Nummer 11 ist der Sieg unbefriedigend, alleine mit Blick auf die Tabellenpositionen hätte das Spiel nie so knapp sein sollen, so seine Äußerung gegenüber dem Renner. Für einen Fan des Sports hingegen hat das Spiel alles gezeigt, weshalb man gerne ins Stadion gehen könnte, auch bei Sportarten, die einem vielleicht nicht beim ersten Gedanken einfallen.

 

Eine Reportage von Malte Weise (BA-MJ-64-H-VZ)

 

Quellen:

Der-Renner Interview

https://bgbaskets.hsv.de/news-1/saison-2021/22/detail/bg-baskets-hamburg-sportlich-abgestiegen

https://www.hannover-united.de/news/1180-rbbl1-65-56-hannover-united-macht-es-gegen-die-bg-baskets-unnoetig-spannend

https://www.sportschau.de/live-und-ergebnisse/parasport/rollstuhl-basketball-bundesliga/se46995/2022-2023/ro136502/spieltag/md14/tabelle/


Schlagworte: Basketball, Hamburg, Hannover, Rollstuhl, Rollstuhlbasketball, United

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Datum: 24. Februar 2023
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