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Das Team hinter dem Team des Teams

,,Wann bringt Flo denn endlich den Pizarro?!‘‘. Andreas schaut mit fragendem Blick in Richtung Werder-Coach Florian Kohfeldt, der knapp 30 Meter vor ihm in seiner Coaching-Zone über das laufende Bundesligaspiel grübelt. Nach zwei Niederlagen zum Saisonstart braucht sein SV Werder unbedingt einen Dreier gegen die ebenfalls noch sieglosen Männer des FC Augsburg.

Veröffentlicht am 26. September 2019 von

,,Wenn’s heute nicht klappt, dann können wir uns wieder einmal mit dem Abstiegskampf beschäftigen‘‘, mahnt Andreas. Der 48-Jährige kommt aus dem Bremer Vorort Delmenhorst und hat seit er denken kann ein grün-weißes Herz. ,,Ich habe die guten Zeiten unter Rehhagel und Schaaf noch vor Augen. Wenn die aktuelle Entwicklung anhält, können wir es wieder weit nach oben schaffen‘‘. Er redet vom ,,wir‘‘. Zurecht. Andreas ist Angestellter des SV Werder Bremen und sitzt an diesem Sonntagnachmittag auf der Pressetribüne des traditionsreichen Wohninvest Weserstadions. ,,Ich bin dafür zuständig, dass die Einlaufkinder rechtzeitig vor dem Spiel anreisen, sie einen Spieler oder Schiedsrichter zugeteilt bekommen und nach dem Anpfiff zu ihren Eltern auf die Tribüne zurückkehren‘‘. Andreas arbeitet gern mit Kindern. Er machte eine Ausbildung zum Dachdecker, konnte aufgrund seiner Rückenprobleme jedoch nicht weiter seinem gewohnten Job nachgehen. ,,Zufälligerweise hatte ein guter Freund von mir gerade eine KiTa eröffnet, bei der ich dann als Fahrer angestellt war‘‘. Andreas holte die Kids von zu Hause ab und brachte sie sicher in die Kindertagesstätte. Abends brachte er die Kinder dann wieder nach Hause. ,,Für mich war das eine ganz neue Erfahrung. Ich habe gemerkt, dass ich gut mit Kindern umgehen kann, obwohl ich selbst keine habe‘‘. Natürlich habe er Seminare besucht, um auch geistig fit zu bleiben, sagt Andreas. ,,Irgendwann war ich dann eine Art fahrender Erzieher‘‘.

Vom Fan zum Mitarbeiter

Der Dauerkartenbesitzer begleitete 2014 eine Reihe von Kindern zu einem Werder Heimspiel. Die KiTa aus Delmenhorst hatte bei einem Gewinnspiel teilgenommen und durfte als Gewinner 25 Einlaufkinder stellen. ,,Für mich als Werder Fan war das natürlich auch mal aufregend. Selbst im Spielertunnel zu stehen und die zehntausenden Fans schon aus der Ferne zu hören und zu sehen war überwältigend‘‘. Dieses Erlebnis sollte kein einmaliges bleiben. ,,Nach dem Spiel sagte mir der ehemalige Betreuer der Einlaufkinder, dass Werder auf der Suche nach einem Nachfolger für ihn ist‘‘. Andreas zögerte keine Sekunde und schickte noch am Abend eine Bewerbung an den Bundesligisten . ,,Es hat nicht lange gedauert‘‘, sagt er. ,,Nach einem Vorstellungsgespräch habe direkt den Vertrag unterzeichnet‘‘. Seinen KiTa-Job in Delmenhorst musste der gebürtige Hamburger jedoch nicht aufgeben. ,,Meine Arbeit hier bei Werder wartet meist am Spieltag, also am Wochenende auf mich‘‘, verrät Andreas in der Halbzeitpause des Bundesligaspiels.

Kinderträume werden wahr

,,Seit knapp fünf Jahren mache ich diesen Job und mittlerweile kennt mich eigentlich auch jeder Spieler‘‘. Die Spieler mache es laut Andreas jedes Mal aufs Neue stolz, fremden Kindern einen Traum zu erfüllen. ,,Manchmal habe auch ich Tränen in den Augen, wenn ich sehe wie sehr sich ein Kind gerade darüber freut, mit seinem Vorbild das Feld zu betreten‘‘. Vor allem aber habe er gelernt, dass hinter einem Team mehr steckt, als das bekannte ,,Team hinter dem Team‘‘. ,,Es ist schon Wahnsinn, was heutzutage alles bedacht werden muss. Für jede für den Zuschauer ,,normale‘‘ Sache, wie zum Beispiel die Einlaufkinder, gibt es hier Angestellte.‘‘ Durch seinen neuen Job hat Andreas das Gefühl, ein noch größerer Fan des SV Werder zu sein. Jedes zweite Wochenende ist er im Stadion. Als Mitarbeiter und Fan des Vereins.

Pizza kommt – Andreas geht

Es läuft die 82. Spielminute. Werder Legende und Bundesliga-Oldie Claudio Pizarro steht zur Einwechslung bereit. Bremen führt mit 3:2 und muss das Ergebnis irgendwie über die Zeit bringen. ,,Jetzt mache ich mir keine Sorgen mehr‘‘, sagt Andreas. ,,Pizza macht sowieso noch ein Tor, ich kann schon zu den Kindern gehen und ihnen ihre Erinnerungsgeschenke überreichen‘‘. Der 48-Jährige setzt sich seine Sonnenbrille auf, fährt mit der Hand durch seine kurzen grauen Haare und verabschiedet sich. Er lächelt und wirkt wie der glücklichste Fan und Mitarbeiter des Nachmittags.

 

Eine Reportage von Niels Babbel (Sportjournalismus & Sportmarketing SJ-BA-12-H-VZ, Modul: Sportlehrredaktion I)

Links:

https://www.kicker.de/4588681/aufstellung/werder-bremen-4/fc-augsburg-91

https://de.wikipedia.org/wiki/Weserstadion

https://www.dfb.de/datencenter/personen/claudio-pizarro/spieler

https://de.wikipedia.org/wiki/Delmenhorst

https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/spieltag/ergebnisse104~_eam-afd59763702fd0fda162b61172f4275f.jsp?_spieltag=1-3&_sportart=fb&_liga=BL1&_saison=2020&eap=8oI34N4hym4RDV6dhKK0OnLYM%2FNzIoiKmKv2HkJYKgPxCIifwJGZmigVNLw42zmko7u1BzkuenhteE%2FSifHaWb%2BD5g3qtsFGsnGotmb1PcZSS6XXfYWnKf1ELW46g2DdlZjLnzmQERqcVaI8z38Zqg%3D%3D

 


Schlagworte: Bundesliga, Claudio Pizarro, FC Augsburg, Fußball, Spieltag, Werder Bremen, Weserstadion

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Datum: 26. September 2019
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