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Der dritte Streich

Am 27.05.17 sorgt die Frauenmannschaft des VfL Wolfsburgs für Furore. Sie spielt im DFB-Pokalfinale gegen den SC Sand. Vor 17.000 Zuschauern wollen die VFL-Frauen den Pokal zum dritten Mal in Folge für sich behaupten. Rita & ich waren zwei der 17.000 Zuschauer an einem heißen Maisamstag.

Veröffentlicht am 18. April 2018 von

Es sind dreißig Grad. Müde steigen wir aus der Bahn. Überall, wo wir hinsehen, sind Menschen in Trikots. Viele tragen grün und weiß. Andere sind blau. Zusammen folgen wir den Menschenmassen Richtung Stadion. Viel zu viele Menschen für unseren Geschmack. Ich will möglichst schnell ins Stadion, also schleife ich Rita hinterher. Sie sieht immer nur das weiße Trikot mit dem grünen Schriftzug Jakabfi und der fetten Nummer drei darunter. Selbst bereut sie ihre schwarze, lange Jeans, beklagt sich die ganze Zeit über die Hitze. Bei dem Start in das Abenteuer Köln war es am Bielefelder Bahnhof eben noch kalt gewesen.

Auf dem Weg zum Eingang toben überall Kinder: auf Hüpfburgen, Trampolins und verschiedenen Attraktionen des DFB. Selbst entdecke ich den kleinen VfL-Fanshop, der auch bei jedem größeren Heimspiel mit dabei ist. Aber heute kauf ich nichts. Heute geht es nur um eins: den Pokalsieg. Mein Onkel hat uns die Karten spendiert. Den Platz konnten wir also nicht aussuchen. Und so kam es, dass ich im grün-weißen VfL-Trikot umgeben bin von blauen SC Sand-Anhängern. Generell sind die 17.000 Menschen im Stadion eher für den Underdog aus Baden-Württemberg.

Wir sind eine halbe Stunde vor Anpfiff auf unseren Sitzplätzen. Die Hitze laugt uns komplett aus und Geld für Getränke haben wir leider auch nicht mehr. Dann ist es endlich soweit. Die Mannschaften betreten den Rasen. Beim VfL zuerst die Torhüterin Almut Schult und langsam folgt der Rest. Sie wirken hochkonzentriert: passen sich Bälle zu, schießen aufs Tor, spielen drei gegen drei. Ich kann förmlich fühlen, wie sehr sie den Sieg wollen. Trotz Unterzahl feiern die Anhänger der Wölfinnen lauter. Der dritte Pokal-Erfolg ist möglich. Und dann auch noch gegen den Vorjahrsgegner SC Sand. Damals hatte Jakabfi mit einem Doppelpack alles klar gemacht. Heute muss ich enttäuscht feststellen, dass sie nicht in der Startelf steht.

Es ist 15 Uhr. Ein schriller Pfiff ertönt. Anpfiff. Die Partie plätschert munter vor sich hin. Es passiert nicht viel in Hälfte eins. Die blauen Anhänger um mich herum sind zufrieden. Ich nicht. Und Rita sehnt sich im Moment wohl mehr nach einem kalten Getränk als alles andere. In der Halbzeitpause stehen viele auf: auf Toilette; Bratwurst essen; sich die Beine vertreten. Auch der nette, ältere Herr neben uns, mit beigen Hut und Sonnenbrille ausgestattet, steht auf. Natürlich nicht ohne den Kommentar, dass wir in 45 Minuten enttäuscht sein werden. Aber ich glaube an Kellermann und sein Team. Sein Abschied als Trainer kann nur mit einem Pokalerfolg vonstatten gehen.

Wir bleiben sitzen. Unten auf dem Rasen wurde wohl der einzige Schattenplatz ausgemacht. Annike Krahn, ehemalige deutsche Nationalspielerin, gibt dort unten ein Interview über das deutsche Fußballmuseum. Einen Favoriten habe sie in diesem Spiel nicht, meint sie. Sie trägt ebenfalls eine Sonnenbrille und ein weiß-schwarz gestreiftes Kleid. Ihre Kleiderwahl ist schlauer als Ritas. Mittlerweile läuft Rita im weißen Top herum. Der schwarze Pullover wurde auf Dauer zu warm.

Die Mannschaften kehren zurück. Die Körpersprache beider Teams wirkt entschlossen. Kellermann setzt sich auf die Trainerbank.
Die Schiedsrichterin pfeift wieder an. Von überall sind „VfL-Ole“-Rufe zu hören. Die Fans machen Stimmung. Selbst Rita stimmt mit ein. In der 65. Minute ist meine Leidenszeit endlich zu Ende. Nach einer Ecke köpft die kleine Dänin Pernille Harder den Ball ins Netz. Die Mannschaft rennt auf die kleine Blondine zu. Alle hoffen auf den Sieg. Vielleicht ist dies das Siegtor? Sofort springe ich auf, um zu jubeln. Der ältere Herr guckt mich geknickt an. Ich werfe ihm einen siegreichen Blick zu.
Spätestens bei dem 2:0, wieder durch Harder, sind meiner Freude keine Grenzen mehr gesetzt. Die Fans des SC Sands nehmen dies als Aufforderung zu buhen. Nicht gegen ihr Team, sondern gegen die Schiedsrichterin. „ Wir wissen, wo dein Auto steht“, ertönt im Einklang.

Wenig später freut sich der ältere Mann. SC Sand hat den Anschlusstreffer gemacht. Ausgerechnet Jovana Damjanovic macht das Tor. Die frühere Wölfin rennt über das ganze Feld. Ihr Jubeln nimmt kein Ende mehr. Je länger sie jubelt, desto größer wird meine Abneigung für sie. „Ohne den VfL würde sie immer noch in Slowenien kicken. Die soll mal ein bisschen dankbar sein“, sage ich zu Rita. Sie hat es heute wirklich nicht leicht.
Im Anschluss gibt es eine rote Karte für Popp. Normalerweise eine meiner Lieblinge, in dem Moment mein Feindbild. Minutenlang kann sich Rita mein Wettern über diese dumme Aktion anhören. Meine Hoffnung auf den Sieg wird immer geringer. Eine Verlängerung haben wir im Zugticket auch nicht eingeplant. Sand macht Druck. Der VfL hält dagegen. In der Nachspielzeit sieht auch noch Gunnarsdottir rot. Meine Nerven liegen blank. Das Publikum buht, diesmal auch die VfL Fans. Der Schlusspfiff muss her.

Fünf lange Minuten Nachspielzeit enden mit dem ersehnten Pfiff. Das Publikum buht frustriert weiter. Außer wir VfL Fans. Wir feiern mit dem Team. Sie kennen das Gefühl des Siegens und trotzdem springen Popp & Co. umher als wäre es das erste Mal.
Nilla Fischer stemmt den Pokal in die Höhe, aber überreicht ihn sofort an Ralf Kellermann. Der Pokal gehört ihm.
Wir feiern ein bisschen weiter, bis Rita mich zur Bahn schleift. Es sind 30 Grad; mein Trikot ist durchnässt; Rita ist genervt; uns steht noch eine dreistündige Heimfahrt bevor. Aber ich bin glücklich. Das Erlebnis Pokalsieg kann mir keiner mehr nehmen.

( Eine Reportage von Louisa-Maria Reinhardt, Kurs: BA-SJ-10-H-VZ)


Schlagworte: DFB-Pokal-Finale 2017, Frauenfußball, Pernille Harder, SC Sand, VfL Wolfsburg Frauen

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Datum: 18. April 2018
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