Reitsport
Impfdiskussion – Wie die Herpes-Impfe die Reiterwelt spaltet
Die verbindliche Herpes-Impfung zwingt den Amateur-Reitsport in die Knie. Immer mehr Pferdebesitzer entscheiden sich gegen eine Impfung und somit auch gegen die Teilnahme an Turnieren. Das schadet vor allem den örtlichen Reitvereinen.
(Warendorf.) Schon 2021 wurde von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN beschlossen, zusätzlich zu der bereits vorhandenen Tetanus-Impfpflicht, auch die Impfung gegen Equines Herpes zu verpflichten. Ab dem 1. Januar 2023 ist es nun so weit. Das stößt bei vielen Reitern im Amateur-Reitsport auf Unverständnis.
Herpes-Fälle erschüttern den Reitsport
Viel Aufmerksamkeit zog im März 2021 ein internationales Springturnier in Valencia, Spanien auf sich. Dort war das Equine Herpesvirus EHV-1 ausgebrochen. Das Turnier wurde daraufhin abgebrochen. Insgesamt zeigten 99 Pferde Herpes-Symptome, 18 Pferde haben die Infizierung nicht überlebt. Unter ihnen auch das Erfolgspferd Casta Lee FRH von Tim-Uwe Hoffmann. Daraufhin wurden von der FEI für die folgenden vier Wochen jegliche internationalen Turniere in zehn europäischen Ländern abgesagt, darunter auch Deutschland.
Der Equine Herpesvirus ist ein höchstansteckender Virus. Die Infektion verbreitet sich durch direkten Kontakt zueinander und auch durch uns Menschen, zum Beispiel durch Kleidung oder Hände. Dabei verläuft eine Herpesinfektion in vielen Fällen völlig harmlos. Ist ein Pferd jedoch einmal an Herpes erkrankt, bleibt das Virus für immer im Pferdekörper. Da es sich in den Schleimhäuten und Nervenzellen befindet, kann auch das Immunsystem nicht helfen. Anschließend gibt es das Virus durch den Kot an andere Pferde weiter.
Die Krankheit bricht in den meisten Fällen durch emotionalen Stress, zum Beispiel Turniere, Transport oder Herdenunstimmigkeiten aus. Zu den Symptomen zählen Fieber, Husten und Nasenausfluss, eine Entzündung der Atemwege, aber auch Bewegungsstörungen, Gleichgewichtsverlust und Lähmungen der Hintergliedmaßen. Tragende Stuten können außerdem ihr Fohlen verlieren. In einem solchen Stadium der Krankheit verläuft sie häufig tödlich. Ist ein Pferd erstmal an dem Virus erkrankt, sind Besitzer und Tierarzt die Hände gebunden, denn ein Gegenmittel gibt es nicht. Der Tierarzt kann nur noch die Symptome lindern. Außerdem kann ein Pferd, ähnlich wie bei Covid-19, Langzeitschäden davontragen.
Diskussion Herpes-Impfung
Warum ist die Diskussion über die Herpes-Impfung so groß? Vor allem wegen ihrer vermeintlichen Nebenwirkungen und Impfreaktionen. Der Impfstoff gegen das Herpes-Virus ist angereichert mit echten Antigenen, also Teilen des Virus selbst. Das macht ihn schon deutlich aggressiver als zum Beispiel den Tetanus-Impfstoff, bei dem inaktivere Anteile, so genannte Toxoide, verabreicht werden. Die Aufgabe des Immunsytems ist es dann, Antikörper zu produzieren und dadurch wird es extrem gestresst. So können fremde Erreger nicht bekämpft werden, wodurch das Pferd schnell krank wird. Schwierig wird es dann, wenn das Pferd schwere Impfreaktionen wie starkes Fieber und Zittern zeigt. Dort kann ein Tierarzt zwar ein fiebersenkendes Mittel verabreichen, welches auch die Symptome mildert, allerdings wird dann die Wirkung des Impfstoffes ebenso geschwächt.
Auch können sich Abszesse an der Einstichstelle bilden. Das kann vor allem am Hals erhebliche neuronale Störungen mit sich bringen. Abszesse entstehen dann, wenn der Körper den Impfstoff schon im Bindegewebe isoliert. Ihn also als Fremdkörper identifiziert und ihn mithilfe des Bindegewebes durch die Haut absondert. Durch die chirurgische Entfernung dieses Abszesses entstehen in seltenen Fällen Nervenschäden, welche das Pferd auch langfristig beeinträchtigen können. Dieser Fall wird von Tierärzten allerdings als extrem selten eingestuft. Die Diskussion um die Wirkung des Herpesimpfstoffes verläuft ähnlich wie die Diskussion um die Wirkung des Coronaimpfstoffes. Und zwar schützt eine solche Impfung das Pferd nicht vor der Ansteckung, sondern vor schweren Verläufen der Krankheit. Trotzdem kann es dazu kommen, dass ein geimpftes Pferd an EHV-1 stirbt. Das liegt an so genannten Impfdurchbrüchen, welche auf eine zu hohe Virenlast zurückzuführen sind. So ist es auch in Valencia passiert.
Wie die Impfung den Turniersport beeinflusst
Ab dem 1.1.2023 müssen alle Turnierpferde, die am LPO-Turniersport oder an WBO-Wettbewerben teilnehmen gegen das Equine Herpesvirus EHV-1 geimpft sein. Teilnehmen dürfen sie erst nach erfolgter Grundimmunisierung alle sechs Monate. Diese von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ernannte Regel stößt im Reitsport auf viele sich weigernde Pferdebesitzer. So wird auch in einer Petition an die Reiterliche Vereinigung geschrieben: „Wir sind sicher keine Impfgegner, aber niemand will seinem Pferd zweimal im Jahr eine Impfe verabreichen, die nur der Pharmaindustrie hilft.“ Es kursieren mehrere an die FN gerichtete Petitionen, die dazu aufrufen, die Regel der Herpes-Impfung rückgängig zu machen.
Unter dieser Entscheidung, die Pferde nicht zu impfen und so auf den Turniersport in Gänze zu verzichten, leiden am Ende nicht nur die Pferdebesitzer, sondern auch die Reitvereine, die von ihren kleinen Reitertagen und Turnieren leben. Diejenigen, die diese Turniere brauchen, um den Sport weiterhin finanzieren zu können. Wie viele Pferdebesitzer sich am Ende dafür entscheiden, ihre Pferde ab dem 1.1.2023 nicht mehr auf Turnieren vorzustellen und wie viele Reitvereine in welchen Maßen darunter leiden werden, stellt sich in der kommenden Turniersaison heraus.
Diskussion über Herpes-Impfpflicht – nachrichten – news – Reiterrevue International
Herpes-Impfung bei Pferden | FN (pferd-aktuell.de)
Herpes beim Pferd: Symptome und Behandlung | Josera
Herpes-Infektion: Infos für Pferdebesitzer – nachrichten – news – Reiterrevue International
Ein Bericht von Johanna Schuster
(BA-SJ-08-TZ-FS). Modul: Journalistische Darstellungsformen
Schlagworte: Herpes, Impfen, Reiten, Turniersport