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Skripnik und das Vertrauen auf Zeit

Das späte Gegentor des Augsburger Einwechselspielers Jeong-Ho Hong in der 87. Minute und die damit verbundene 1:2-Niederlage war für Fußball-Bundesligist Werder Bremen ein weiterer Tiefschlag im Kampf gegen den Abstieg. Der arrivierte Bundesligaklub wirkt angeschlagen und wankt auf dem Relegationsplatz stehend in Richtung zweite Liga. Zu allem Überfluss flammt nun erneut die Trainerdiskussion auf. Der wortkarge Viktor Skripnik scheint nicht mehr unumstritten. Sportdirektor Thomas Eichin stärkte dem Ukrainer zwar unter der Woche den Rücken, doch im Hintergrund scheint man fieberhaft an Werders Zukunft zu arbeiten – ohne Skripnik?

Veröffentlicht am 12. April 2016 von

(Hannover). Am Samstag trifft Werder Bremen auf den VfL Wolfsburg. Für die ohnehin schon verunsicherten Bremer ein unangenehmer Gegner, denn welches Gesicht der VfL zeigt, ist vor Mittwoch nicht auszumachen. Nicht nur, weil Wolfsburg ohne Zweifel über mehr individuelle Qualität verfügt, als die Werderaner. Im Falle eines Halbfinaleinzugs der Wölfe gegen Real Madrid ist davon auszugehen, dass die Hecking-Elf getragen von der Euphorie aufspielen wird. Im Falle einer Niederlage muss der VfL in der Liga für Wiedergutmachung sorgen, um ihre letzte Chance auf die Europa-League zu wahren. Zu diesem Spiel gesellen sich seit vergangenem Samstag die lauter werdenden Trainerdiskussionen. Für Viktor Skripnik könnte die Partie eine letzte Bewährungschance sein, die ob der hybriden Ausgangssituation eine zusätzliche Brisanz beinhaltet.

Verliert Skripnik, sind alle Treuebekundungen von Werder-Sportdirektor Thomas Eichin ein laues Lüftchen gegen den Orkan der aus Medien, Fanszene und Umfeld auf den Verein herniederprasseln wird. Noch in dieser Woche ließ Eichin verlauten, dass er volle Kanne hinter dem Trainer stehe: „Er lebt und leidet mit, aber genau das wollen doch alle hier: Einen Trainer mit Werder Herz. Dabei ist Viktor aber auch stark und findet immer wieder die richtigen Worte an die Spieler. Das hat er immer hervorragend hinbekommen.“ Nachvollziehbar sind diese Schwüre allerdings von außen betrachtet nicht mehr.

Skripnik scheint angreifbar, ist sensibel, präsentiert sich der Öffentlichkeit oft farblos. Man merkt, dass ihm der Verein und seine Mannschaft am Herzen liegen. Er leidet, aber auf dem Platz spielt sein Team nicht wie eines, das um ihre Existenz kämpft. Dem Werder-Kader fehlt es schlichtweg an Qualität. Anthony Ujah konnte den Abgang von Franco Di Santo nur bedingt kompensieren. Und der dritte Frühling von Claudio Pizarro verpuffte mit dessen Verletzung. Den jungen Wilden wie Grillitsch und Öztunali fehlt es an Erfahrung im Abstiegskampf. Oldie Clemens Fritz ist in seiner letzten Saison oft auf verlorenem Posten. Torhüter Wiedwald, als Schießbude der Liga tituliert, ist bemitleidenswert, die Integration der Winterneuzugänge noch nicht abgeschlossen.

All diese Faktoren sprechen für ein vorzeitiges Ende Skripniks in Bremen. Sollte Werder in Wolfsburg verlieren wird nicht mehr viel Wasser die Weser hinunterfließen, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Muss Werders Meisterkapitän von 2004 vorzeitig gehen, ist eine interne Lösung nahezu ausgeschlossen. Zu nah stehen ihm die Assistenten Frings und Kohfeldt. Einen Trainer zu finden, der sich für die verbleibenden Spiele auf die Bank des abstiegsbedrohten Bremer setzt, ist schwierig. Denn scheinbar arbeitet Eichin bereits fieberhaft an einer 1A-Lösung für den Sommer.

Laut Informationen des Kicker-Sportmagazins wird der Name Torsten Lieberknecht in Bremen gehandelt. Der Pfälzer steht seit 2008 bei Eintracht Braunschweig unter Vertrag. Nach zuletzt schwachen Leistungen wurden aber auch in der Löwenstadt kritische Stimmen hörbar. Lieberknecht hatte die Eintracht von der dritten in die erste Liga geführt. Den direkten Wiederabstieg verkrafteten die Löwen gut, landeten mit vielen Leihspielern auf Platz sechs. Im Sommer nun wollte der 42-Jährige neue Impulse setzen. Das Gesicht des Kaders veränderte er ebenso, wie das Spielsystem. Doch die Beziehung Lieberknecht und Braunschweig scheint abgenutzt. Trotz eines laufenden Vertrages ist der Weg nach Bremen nicht undenkbar. Denn der Meister von 1967 dümpelt im Unterhaus dem Liga-Mittelfeld entgegen und für Lieberknecht ist es die vielleicht letzte Chance auf den schnellen Sprung in die Bundesliga.

Skripnik hingegen steht zwischen den Stühlen. Ist er erfolgreich im Kampf gegen den Abstieg, könnte er seinen eigenen Arbeitsplatz retten, oder durch den Bundesligaverbleib Werders Chancen auf ihre Wunschlösung erhöhen. Eichin wiegelte derweil Personaldiskussionen ab: „Wir konzentrieren uns voll auf die schwere Phase, die bevorsteht – mit diesem Trainerteam. Was im Juni, Juli oder August ist, interessiert doch jetzt keinen Menschen. Entscheidend ist, dass wir die Klasse halten.“ Ein klares Votum Pro Skripnik sieht anders aus. Legitim in dieser Phase, denn der Sportdirektor muss derzeit Zwei- oder gar Dreigleisig planen. Für seinen Trainer ist diese Situation nichtsdestotrotz katastrophal, steht er doch vor dem Ungewissen.


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Datum: 12. April 2016
Veröffentlicht von:
Autor: Lars Rücker


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